Die richtige Digitalkamera
Spiegelreflex- oder Kompaktkamera? Und wieviel Megapixel sind wirklich notwendig? Tipps vom Insider Michael Gradias.
Michael Gradias ist langjähriger Autor von Büchern zur Fotografie sowie Foto und Videobearbeitung am PC.
sueddeutsche.de: Herr Gradias, die Werbung für Digitalkameras ist
mittlerweile unübersichtlich geworden. Helfen Sie uns: Was sollte eine
Kamera haben, damit ich Spaß an meinen Fotos habe?
Gradias: Sie sollten keinen zu hohen Wert auf die Megapixelzahl
legen. Diese Zahl ist bei weitem nicht so wichtig, wie sie dargestellt
werden. Nur bei richtig großen Ausdrucken spielt die Megapixelzahl überhaupt
eine Rolle. Fünf oder sechs Megapixel reichen für den normalen Gebrauch
völlig aus, um gute Fotos zu machen. Damit machen sie einen Ausdruck in
DIN A4 mit einer sehr ordentlichen Qualität.
sueddeutsche.de: Wenn nicht die Pixelzahl, was bringt mir dann
die guten Fotos?
Gradias: Zum Beispiel ein hochwertiges Objektiv. Das entscheidet
viel mehr über die Bildqualität. Um das zu erkennen, sollte man die Testberichte
lesen. Aber auch ich habe nicht immer den Überblick und lasse ein mir
unbekanntes Objektiv lieber liegen. Für Spiegelreflexkameras ist wichtig
zu wissen, dass man nicht unbedingt das Objektiv vom Hersteller der Kamera
kaufen muss. Oft sind Objektive von Sigma sogar qualitativ besser als
von Canon oder Nikon. Und man kann sogar Geld dabei sparen.
sueddeutsche.de: Mit Blick auf die Photokina: Was sind begrüßenswerte
Entwicklungen in der Digitalfotografie?
Gradias: Lange ist die Verbesserung der Spiegelreflexkameras hinterher
gehinkt. In diesem Jahr hat hier die Entwicklung gleichgezogen und es
sieht so aus, als wenn das bald Standard sein wird. Schon heute kann sich
fast jeder eine Spiegelreflexkamera leisten. Ich denke dabei zum Beispiel
an die Canan 400D, die jetzt neu rauskommt und sich in einer Preisklasse
bewegt, die man früher niemals erwartet hätte.
sueddeutsche.de: Was sagt das über das Preis-Leistungsverhältnis?
Gradias: Das passt heute überhaupt nicht - aber genau in die andere
Richtung, zum Vorteil des Kunden. Ich bekomme heute eine Digitalkamera
schon für 1800 Euro, die Profiansprüchen gerecht wird und die eigentlich
4000 Euro kosten müsste. Die beiden Marktführer Canon und Nikon liefern
sich regelrechte Preisschlachten. Im Augenblick die also richtige Zeit,
um eine Kamera zu kaufen, weil man schon in den niedrigen Preiskategorien,
etwa 700 bis 800 Euro, hochklassige Apparate bekommt.
sueddeutsche.de:
Sind also Kompaktkameras eigentlich nicht so gut?
Gradias: Das kann man so nicht sagen. Die Kompaktkamera ist leichter
und für den alltäglichen Gebrauch gut geeignet. Man kann sie in die Tasche
stecken, wo sie wenig stört. Und sie braucht keine schwere Ausrüstung,
etwa ein Wechselobjektiv. Wenn man richtig kreativ fotografieren will,
dann sollte man sich am besten eine Spiegelreflexkamera anschaffen.
sueddeutsche.de: Was halten Sie von "Ultrakompaktkameras"?
Gradias: Ein kurzlebiger Trend. Man muss heute nicht immer die
allerneueste Kamera kaufen.
sueddeutsche.de: Was braucht eine Kamera heute, um gut zu sein?
Gradias: Am wichtigsten ist der integrierte Blitz, der vielen Kameras
fehlt. Auch wenn die Reichweite nicht sehr groß ist, ist es doch wichtig,
damit auch die Fotos auf einer Feier etwas werden.
sueddeutsche.de:
Ist der Sucher einer Digitalkamera heute noch wichtig?
Gradias: Bei den Kompaktkameras hat sich der Display durchgesetzt.
Bei Spiegelreflexkameras war das bislang eine Ausnahme. Aber gerade kommen
die ersten Modelle auf den Markt, die auch einen Live-Display haben.
sueddeutsche.de: Wie sieht es mit der Menüführung der Kameras aus?
Gradias: Viele Fotoapparate leiden darunter, dass sie so viele
Funktionen haben, dass man den Überblick verliert. Ich empfehle eine möglichst
einfache Bedienung, bei der man nicht bis ins fünfte Menü runtersteigen
muss. Beschränken Sie sich lieber auf weniger und die wirklich notwendigen
Funktionen.
sueddeutsche.de: Was sind hier die wichtigsten Funktionen?
Gradias: So etwas klassiches wie Porträtfunktion oder Nachtmodus
wird noch über Einstellräder bedient. Im Software-Menü sollte die Kamera
möglichst einfache Funktionen zur Bildoptimierung haben, etwa um die Schärfe,
den Kontrast und die Farbqualität der Bilder zu regulieren. Das reicht
vollkommen.
sueddeutsche.de: Sie sagen, die Kameras haben sich verbessert.
Gehen wir mal ins Detail. Sind die Leistungen der Akkus besser geworden?
Gradias: Das ist noch immer unterschiedlich und daher ein wichtiges
Kriterium beim Kauf. Leider machen einige Hersteller falsche Angaben dazu,
so dass man immer einen zweiten oder dritten Akkusatz in der Tasche haben
sollte. Das ist nicht mehr das riesige Problem wie früher, aber doch immer
noch ärgerlich.
sueddeutsche.de:
Sind "Bildstabilisatoren" notwendig?
Gradias:
Das ist eigentlich etwas ziemlich Altes, das jetzt in
der Digitalfotografie wieder aufgewärmt wurde. Wer ein engagierter Fotograf
ist, kommt auch ohne aus. Aber diese Funktion ist bei längeren Belichtungszeiten
sehr hilfreich, damit man keine verwackelten Bilder bekommt. Wer keine
ruhige Hand hat, der wird das zu schätzen wissen.
sueddeutsche.de:
Bilder von Kompaktkameras hatten bislang keine
Tiefenschärfe. Hat es dabei Verbesserungen gegeben?
Gradias:
Nein, denn das ist ein technisches Problem, das man nicht lösen kann.
Nur bei kleinen Brennweiten, wie mit einem Weitwinkelobjektiv, ist grundsätzlich
alles von vorne nach hinten scharf. Diese Brennweite ergibt sich durch
das Verhältnis der Sensorgröße zur vorderen Linse. Weil der Chip der Kompaktkamera
sehr klein ist, hat man automatisch einen großen scharfen Bereich. Also
kommen Sie nicht umhin eine Spiegelreflexkamera mit einem größeren Chip
zu kaufen, um die Tiefenschärfe besser variieren zu können.
sueddeutsche.de:
Wie groß sollten Speicherkarten sein, wenn man
mit fünf bis sechs Megapixel fotografiert?
Gradias:
Kaufen Sie besser keine Karten mehr, die kleiner sind
als ein Gigabyte. Diese Karten sind heute durchaus preiswert zu bekommen.
Und Sie kommen pima damit hin.
sueddeutsche.de:
Wie wichtig ist eigentlich der digitale Zoom an
einer Kamera?
Gradias:
Den sollte man auf keinen Fall benutzen, weil ein optischer
Zoom mein Bild nur vergrößert und die Qualität darunter leidet. Achten
Sie beim Kauf der Kamera nur auf den mechanischen Zoom, der ist entscheidend.
sueddeutsche.de:
Auf welche neuen Kameras schauen Sie als Profi
besonders?
Gradias:
Hochinteressant sind Modelle von "Olympus" und die Sony
"Alpha". Gute Apparate, die aber leider einen schwindend geringen Marktanteil
haben.
sueddeutsche.de:
Sie raten aber grundsätzlich zu einer Markenkamera?
Gradias:
Leider muss man zugeben, dass nur eine Markenkamera auch
wirklich lange hält. Von einer Nischenmarke kann man nicht erwarten, dass
man nach Jahren noch Zubehör bekommt oder dass die neuen Objektive auch
noch passen. Aber die wichtigste Botschaft ist: Zum Fotografieren brauche
ich keine aufwändige Technik. Ich kann ein fantastisches Foto auch mit
einer einfachen Kamera machen und brauche nicht mit technischen Daten
protzen.
Interview Christopher Stolzenberg